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30.04.2020

„Schreckgespenst Deflation“

Liebe Freunde, Kollegen, Mitinvestoren, 

die Implikationen der aktuellen Lage sind vielfältig. Sie wirken sich in vielerlei Hinsicht direkt auf unser Leben aus, auf Warenmärkte, Politik und Gesellschaften. Grund genug, einige der Entwicklungen einmal näher zu beleuchten: 

Dieser Tage konnten wir miterleben, wie der Preis für ein allgemein bekanntes und in aller Welt benötigtes Gut, negativ war. 

Der Preis für in New York (Börse: NYMEX) gehandeltes Rohöl (Crude Oil) mit Lieferung im Mai lag bei MINUS 40 US-Dollar pro Fass (Barrel = 159 Liter).
200430_lpreis.png
Viele, auch wir, haben uns im Angesicht des Charts anfangs die Augen gerieben – so was gab´s noch nie – nach kurzem Überlegen wird der Zusammenhang jedoch schnell klar. 

Die durch den weltweiten Shut Down hervorgerufenen Nachfragerückgänge haben dazu geführt, dass die Öl-Läger weltweit voll, keine freien Lagerkapazitäten vorhanden sind. 

Die Marktteilnehmer haben sich hingegen schon vor Monaten, also vor dem Shut Down, Öl-Lieferungen zu festen Preisen für den Mai 2020 (und die folgenden Monate) gesichert. 

Diese Geschäfte, also die Vereinbarung, eine bestimmte Menge Rohöl zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem festgelegten Preis zu kaufen, werden am Markt Termingeschäfte/Futures genannt. Sie geben dem Lieferanten und dem Einkäufer eine Sicherheit über Mengen und Preise, beide Seiten, also Angebot und Nachfrage haben so eine gute Kalkulationsbasis für die Zukunft. 

Je näher der Zeitpunkt für Lieferung und Zahlung jedoch rückt, umso größer wird die Not. Schließlich ist das im Mai zu liefernde Öl längst gefördert, verladen und – in Tankern, Zügen, Lastern oder Pipelines – auf den Weg gebracht, schließlich muss die Lieferung pünktlich erfolgen. Bei den Abnehmern wird aktuell aber kein Öl benötigt, die Läger der großen Raffinerien, Chemiefirmen usw. sind voll, alle haben genug Öl, brauchen nicht noch mehr. 

Durch die Termingeschäfte haben sie sich jedoch zur Abnahme verpflichtet. Das Öl kommt, muss abgenommen werden, einen Ausweg aus dieser Verpflichtung liegt alleine darin, die Lieferverpflichtung am Markt an einen Dritten zu verkaufen, damit dieser das Öl im Mai abnimmt. Da jedoch alle Marktteilnehmer in der gleichen Situation sind, braucht aktuell keiner dieses Öl, auch bei ihnen sind die Läger nämlich voll. 

Der Preis fällt also, die Nachfrageseite will um alles in der Welt verhindern, dass das Öl im Mai kommt („wohin nur damit?“) und so kommen diese – eigentlich irrationalen Marktverhältnisse zustande. 

Der Überblick über Angebot (Länder) und Nachfrage (Sektoren in den OECD Staaten) nach Öl – verdeutlicht die aktuelle Lage (Quelle: statista): 

200430_Grafik Nachfrageanteil l.png200430_Grafik Top 10 Erdlproduzenten.png 
Was hat das alles mit dem „Schreckgespenst Deflation“ zu tun? 

Nun, fallende Preise können bei uns allen dazu führen, dass wir unseren Verbrauch oder auch Anschaffungen in die Zukunft verschieben, wenn wir fallende Preise erwarten. Sinkende Nachfrage führt dann zu weiter sinkenden Preisen, diese wiederum zu noch weiter sinkender Nachfrage, zu weiter sinkenden Preisen… = Deflations-Spirale. 

In einer Welt, die seit Jahrhunderten durch ein „Jahr für Jahr immer etwas Mehr“ geprägt ist, führt eine solche Entwicklung zu sinkendem Wohlstand. Im Angesicht sinkender Preise wird das Angebot, also die Produzenten, dazu übergehen, weniger zu produzieren, um den Nachfrageschwund und die sinkenden Verkaufspreise durch eine Verknappung des Angebots auszugleichen. 

Wir messen Wohlstandsgewinne heute am Bruttoinlandsprodukt (BIP), einfach gesagt, an der Summe aller in einer Periode (meist das Kalenderjahr) hergestellten Güter und Dienstleistungen. Das BIP ist somit ein Maß für die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft. In der Deflations-Spirale wird weniger produziert, nachgefragt und umgesetzt, das BIP sinkt. Im Jahr 2019 betrug das BIP in Deutschland etwa 3,44 Billionen (3.440 Mrd.) Euro. 

Gleichzeitig stellt dieser erwirtschaftete „Kuchen“ aber auch die Grundlage dafür, was an die einzelnen Mitglieder der Volkswirtschaft verteilt wird. Die Verteilung 2019 sah wie folgt aus 
(Quelle: destatis):
 
- Löhne/Gehälter inkl. Nebenkosten: 1,52 Bio.
- Unternehmen/Gewinne/Selbstständige: 0,61 Bio.
- Investitionen: 0,73 Bio.
- Sparen: 0,36 Bio.
- Transfers ins Ausland: 0,22 Bio.

Summe: 3,44 Bio.
 
Wenn sich nun also der Kuchen insgesamt verkleinert, kann auch weniger verdient, investiert und gespart werden, Einkommen und Vermögen werden kleiner, es entsteht ein Wohlstandsverlust. 

Die täglich über die Nachrichten kommunizierten Zahlen bestätigen das. Menschen in Kurzarbeit erleiden Einkommenseinbußen (33% bis 40%), die Gewinne der Unternehmen schrumpfen, Investitionen werden auf die Zukunft (wenn es wieder besser ist…) verlagert. 

Staaten und Notenbanken versuchen nun, diese „Spirale“ zu bekämpfen. Negative Zinsen sollen die Menschen ebenso zum Konsum (nicht zum Sparen) anregen, wie direkte Zuschüsse oder auch die gerade beschlossene Senkung der Mehrwertsteuer für Restaurants bzw. die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes. Geld dafür ist nicht da, alles wird über neue Schulden finanziert. Und wenn diese niemand haben möchte, dann kaufen die Notenbanken sie auf. Bei Zinsen nahe 0% (hierzulande negativ), ist schließlich die Belastungsgrenze mathematisch „unendlich“. 

Fazit: 
Auch wenn wir alle ein gewisses „Magengrummeln“ bekommen, wenn wir an diese erneute Verschuldungsorgie denken, so stellt sie doch die einzige Möglichkeit dar, die „Corona“ – implizierte Rezession zu bekämpfen. „Leisten“ können wir uns das dank der Notenbanken als „letzter Instanz“ allemal. 

Gerne stehen wir für Ihre Fragen und Anmerkungen zur Verfügung und grüßen herzlich aus dem Kölner Süden – bleiben Sie gesund!

Ihr Werte Invest Team
 
 
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