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04.03.2020

„Angst“

Liebe Freunde, Kunden, Mitinvestoren!

Der gestrige Börsentag (02.03.2020) war – wie so oft – ein Lehrbuchbeispiel für uns Anleger:

Am Mittag, so gegen 13 Uhr kommen aus den USA meist die ersten belastbaren Indikationen dafür, wie der dortige Aktienmarkt vermutlich den Handel um 15:30 Uhr beginnt, zeigte sich die in der Vorwoche ausgeprägte Zurückhaltung der Anleger noch immer. Der DAX hatte am Vormittag ein neues Tief ausgelotet, war in Richtung 11.600 Punkte gefallen. Etwa ab 14:30 fing der S&P 500 Index dann langsam an, in den grünen Bereich vorzustoßen – es setzte sich am Markt die Hoffnung durch, dass die Notenbanken/Regierungen in den kommenden Tagen einige Maßnahmen zur Stützung von Wirtschaft und Märkten bekannt geben würden – bis zum Ende der Börsensitzung um 22 Uhr war der Anstieg mit rund 5% für den Index dann schon fulminant. Ob dieser begonnen Aufschwung nun nachhaltig ist, die schlimmste Börsenzeit für dieses Jahr hinter uns liegt, sei dahingestellt, schließlich gibt es noch zu viele Unsicherheiten – Fakt ist aber, dass die Erholung wieder einmal in den USA ihren Anfang genommen hat. Schon um Weihnachten 2018 war das so zu beobachten, in den Jahren und Jahrzehnten vorher immer wieder und oftmals auch sehr deutlich.

Woran liegt das? Zählen wir Deutschen im Allgemeinen etwa zu den Angsthasen? Müssen uns immer die Amerikaner mutig vorausgehen?

Zu diesem Thema war gestern ein Interview mit dem Göttinger Angstforscher und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Borwin Bandelow, zu lesen. Neben einigen Allgemeinplätzen wie der überproportionalen Angst vor dem Unbekannten, Neuen, waren dort auch einige interessante Betrachtungen zu lesen, einige Beispiele hier zitiert:

„Angst ist nicht gut in Statistik – unser Angstgehirn lässt sich nicht gut von Fakten überzeugen, reagiert schnell mit Panik“

„die statistische Gefahr, an dem Virus zu sterben, wird überschätzt – z.B. wenn man bedenkt, dass jährlich 9.000 Menschen durch Haushaltsunfälle zu Tode kommen“

„Skifahren, Autofahren usw. werden als kalkulierbares, alltägliches Risiko eingestuft, das Virus jedoch nicht“.

Im weiteren Verlauf des Interviews kommt dann die Frage nach der „deutschen Besonderheit“ und hier gilt für Bandelow ganz klar, dass die Deutschen ängstlicher sind als andere, dies gelte jedoch für alle Bewohner in eher nördlichen Ländern. Dort wächst 6 Monate im Jahr nichts und so mussten Menschen um dort leben zu können, sehr vorausschauend handeln, z.B. Nahrungsmittel bevorraten. Die Fröhlichen, Unbekümmerten sind in der Vergangenheit gestorben, die Ängstlichen haben überlebt, weil sie vorgesorgt haben (Stichwort „Hamsterkäufe“). Und da sich Ängste auch vererben, haben sich diese Verhaltensweisen über Jahrtausende behauptet. „Nordlichter“, also z.B. Finnen und Schweden haben mehr Angst als Menschen, die am Äquator leben – auch dort gibt es „Corona“, nur machen die Menschen nicht so viel Aufheben darum, weil sie doch auch an so vielen anderen Dingen sterben (…). Trotz Eis und Schnee gibt es in Island z.B. deutlich weniger Autounfälle als z.B. in Malaysia – als Bedenkenträger lebt man eben sicherer (nicht zwangsläufig auch glücklicher).

Wann ebbt die entstandene Angst ab?

Hier hat der Experte eine spannende Antwort, nennt diese die „4-Wochen-Regel“. Immer wenn etwas Schreckliches passiert, etwa ein Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt, dann gehen die meisten Menschen für etwa 4 Wochen nicht auf den Weihnachtsmarkt. Danach ist alles wieder in Ordnung – auch dann, wenn die Gefahr im Verlauf eher größer geworden ist. Hier führt er als Beispiel die Reaktorkatastrophe in Fukushima an, als nach 4 Wochen immer noch nicht klar war, ob der Reaktor nicht doch noch explodiert. Dennoch hatte die Angst in Japan und auch hier bei uns, abgenommen.

Doch zurück zu uns Deutschen:

Vor einigen Wochen kamen die Statistiken aus der Versicherungsbranche – demnach wurden in 2019 erneut zig-tausende neuer Lebensversicherungsverträge erworben, obwohl jeder von uns statistisch gesehen bereits 3,2 Verträge sein eigen nennt.

In Asien, also in Gesellschaften ohne soziales Netz und mit einem deutlich geringeren Wohlstandsniveau, ist das sicher nachvollziehbar – aber hierzulande? Wo finden wir die Gründe für die Beliebtheit dieser Art der Vermögensanlage.

- Rendite?
Der Garantiezins liegt bei 0,9% p.a. – davon bleiben nach Berechnungen der Kölner Versicherungsratingagentur Assekurata im Durchschnitt nur 0,11% p.a. übrig, der Rest versickert in den Kostenblöcken der Gesellschaften (Stand 2018). 
Also als Begründung eher unwahrscheinlich.

- Psyche? 
Und schon sind wir wieder bei der Angst – Fakt ist, dass die Deutschen im 20. Jahrhundert gleich dreimal ihr letztes Hemd verloren haben: 1923 (Hyperinflation), 1932 (Weltwirtschaftskrise) und 1945 (völliger moralischer, ökonomischer und staatlicher Zusammenbruch) – diese Narben sind gerade bei den Älteren unter uns bis heute nicht verheilt. In der Folge geht Nachkriegsdeutschland mit finanziellen Risiken nicht wirklich entspannt um.

Daraus können wir ableiten, dass der Deutsche (im Allgemeinen) kein wirklich guter Anleger ist – wie anders ist es zu erklären, dass z.B. Italiener und Belgier ein höheres Pro-Kopf-Vermögen haben, obwohl das dortige Lohnniveau niedriger ist? Nun, dort erfreuten sich die o.a. Lebensversicherungen einer weitaus geringeren Beliebtheit, die Quote derer, die Immobilien- und Aktienvermögen angesammelt haben, ist entsprechend größer. Zum Investieren gehört grundsätzlich ein langer Zeithorizont gepaart mit Tapferkeit (wenn Verluste wie in der letzten Woche auftreten) und Aufgeschlossenheit gegenüber der Zukunft. Leider finden sich in der öffentlichen Wahrnehmung gerade jetzt wieder die Weltuntergangsszenarien, werden die Bestsellerlisten von „Der größte Crash aller Zeiten“ (dasselbe Autorenteam hatte schon 2014 „Der Crash ist die Lösung – warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Vermögen retten“ veröffentlicht, ohne dass die Welt untergegangen wäre). Auch ganz oben „Weltsystem Crash“ und „Der Draghi-Crash“. Der Deutsche (im Allgemeinen) bereitet sich also praktisch immer auf den Crash vor, egal ob der DAX nun 8.000 oder 13.000 Punkte zeigt – übrigens besitzen deutsche Privathaushalte mehr Gold als die amerikanische Zentralbank (und Lebensversicherungen sowieso).

Also: sind wir voller Optimismus?

Ja und nein – unseren Optimismus dürfen wir nicht mit naiver Blauäugigkeit verwechseln. Ein kritischer Blick auf die Realität ist und bleibt wichtig. Auch Selbstkritik ist angesagt, Fehler müssen wir uns eingestehen, aus ihnen lernen. Im Herbst 2008 standen wir vor dem Zusammenbruch der Finanzmärkte, Angst war da sicher kein schlechter Ratgeber. Sie darf aber nicht zur jederzeitigen Grundhaltung werden, die sich in einer systematischen Überschätzung von Risiken und einer permanenten Aufregung widerspiegelt!

Herzliche Grüße aus dem Kölner Süden

Ihr Werte Invest Team
 
 
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Werte Invest - 15:44 @ News | Kommentar hinzufügen

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