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14.07.2022
Inflation, die Zinserhöhungen der Notenbanken und nicht zuletzt die Erwartung einer Rezession in den kommenden Quartalen paaren sich an den Märkten derzeit mit einer Anlegerstimmung, die selbst die Niveaus vom März 2020 (Pandemie), vom Frühjahr 2009 (Finanzkrise) und vom August 2011 (Euro-Krise) in den Schatten stellen. So ist es nicht verwunderlich, dass der Weltleitindex S&P 500 eines der schlechtesten Halbjahre seit den 1930er Jahren hinter sich hat:
Die Tabelle zeigt den Verlauf des jeweils 1. Halbjahres und was darauf folgte. Was den Gesamtmarkt betrifft, müssen wir uns wohl oder übel in Geduld üben.
Die Optimisten verweisen auf die Stärke der Arbeitsmärkte, das Wiederhochfahren der Wirtschaft in China, die regionale Begrenzung des Ukrainekonfliktes und den deutlichen Abbau der Bewertungen an den Börsen. Demgegenüber stehen die Pessimisten mit ihrer Aussage „Don´t fight the Fed“, schließlich ist sie gezwungen, angesichts der hohen Inflation, die Wirtschaft mit aggressiven Zinserhöhungen abzukühlen.
Derartiges Vorgehen hat – wie wir zuletzt wieder gesehen haben – allerdings noch nie „schmerzfrei“ funktioniert. So wird es in den kommenden Monaten darauf ankommen, ob die Notenbanken eine Rezession auslösen, wie stark diese wird und wie sich die Unternehmensgewinne in einem solchen Umfeld entwickeln werden. Aktuell haben die Pessimisten klar die Oberhand.
An den Aktienmärkten
sind die Vorzeichen entsprechend negativ, gab es praktisch keinen Sektor, keine Branche oder Region, in denen sich der Anleger „verstecken“ konnte. Waren es im ersten Quartal noch die Wachstumsunternehmen, die unter die Räder kamen (Zinssorgen), so traf es im zweiten Quartal die Valuewerte (Wachstumssorgen). Selbst der lange stabile Rohstoffsektor wurde zuletzt ausverkauft. Bemerkenswert ist die Geschwindigkeit, in der die Marktanpassungen erfolgen.
Die im letzten Marktbericht bereits angemerkte „Zwickmühle“ in der die Notenbanken gefangen sind, wird an den Märkten nun deutlich. Zinserhöhungen in diesem Jahr führen zu einer Rezession, die die Inflation auf ein erträgliches Maß zurückführen wird, bevor im kommenden Jahr wieder Zinssenkungen anstehen, um der krankenden Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen, soweit der Konsens.
Auslöser der Inflation ist aber wesentlich die Entwicklung der Energiepreise und im Unterschied zu 2020 (als die Nachfrage einbrach), werden wir heute Zeugen einer Angebotskrise. Notenbanken und Politik haben hier kaum Einfluss. Um die Rohstoffpreise nachhaltig zu senken, müsste das jeweilige Angebot erhöht werden. Russland Embargos und die jahrelange Investitionszurückhaltung bewirken aber gegenteiliges. Der Chef von Chevron, Mike Wirth, äußerte sich in einem Bloomberg Interview kürzlich dazu wie folgt (frei übersetzt):
„Wir stehen vor horrenden Investitionen für mindestens eine Dekade und weiteren ein bis zwei Dekaden, bis diese sich in Gewinne ummünzen. Gleichzeitig befinden wir uns in einem politischen Umfeld, in dem Regierungen und Menschen zu uns sagen: wir wollen eure Produkte nicht - wir hier bei Chevron können die Öl- und Gasproduktion nicht weiter erhöhen. Wir müssen neue Vorkommen finden, erschließen usw.; das braucht entsprechend viel Zeit“.
An den Rentenmärkten
folgte auf das schlimme 1. Quartal ein noch schlimmeres 2. Quartal:
Bundesanleihen rentieren nun durchweg wieder im positiven Bereich, 2-jährige mit etwa 0,25% p.a. (USA 2,7% p.a.), 10-jährige mit 1,75% p.a. (USA knapp 3% p.a.). Die Verwerfungen in anderen Staats- (z.B. 10-jährige italienische Staatsanliehen > 4% p.a.) und Unternehmensanleihe-segmenten waren noch stärker. Zweistellige Kursverluste in der Breite sind die Folge.
An den Rohstoffmärkten
zeigen die rezessiven Erwartungen schrittweise Wirkung. Bis auf das Gas (im Chart in grau), hier hat Russland die Lieferung zuletzt deutlich reduziert, steigen die Preise nicht mehr (Öl) oder fallen bereits seit einigen Wochen (Industriemetalle). Die Preise weisen aktuell also das aus, was einen funktionierenden Markt ausmacht: Rezession = sinkende Nachfrage = sinkende Preise. Die Rekordgewinne der großen Ölkonzerne sollen nun besonders besteuert werden. Vor 2 Jahren waren die Ölpreise zeitweise negativ, die täglich eingefahrenen Verluste dementsprechend horrend – wurden diese seinerzeit von der Allgemeinheit ausgeglichen? Verkehrte Welt…
Zum Schluss:
Die Belastung steigender Zinsen, hoher Rohstoffpreise und – nicht zuletzt – einem begrenzten Spielraum der Notenbanken, machen die Investmententscheidungen weiterhin nicht einfach. Die Lösungen für die diversen Problemfelder sind adressiert, sie wirken allerdings nicht kurzfristig. Die Anpassung der Bewertungsniveaus an das veränderte Umfeld ist aus unserer Sicht bereits weit fortgeschritten, die Übertreibungen aus dem letzten Herbst stark abgebaut. Die noch bestehenden Unwägbarkeiten (z.B. die Menge gelieferten Gases aus Russland) sind schwer zu fassen und so liegt die Vermutung nahe, dass die Kapitalmärkte unser Nervenkostüm auch in den kommenden Wochen noch das ein oder andere Mal belasten werden. Wir halten daher an unserer vorsichtigen Grundhaltung weiterhin fest, haben in den letzten Wochen schrittweise begonnen in besonders abgestrafte, längerfristig aussichtsreiche Segmente zu investieren.
Emotional prägt uns Tag für Tag die Diskrepanz zwischen dem Leid der Menschen in der Ukraine einerseits und den Bildern von den Flug- und Bahnhöfen hierzulande. Das Leben geht also weiter, es sind die Umstände, die sich derzeit allerdings „anders“ darstellen, so wie lange nicht mehr.
Herzliche Grüße aus dem Kölner Süden
Ihre Werte Invest Family Office GmbH
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